Im Austausch mit Peaz

Connected Awareness - Peaz

In unserer „Im Austausch mit…“-Reihe berichten unsere Connector-Teams von den Klärungs- und Feedbackgesprächen. Diese führen sie mit Organisationen, welche an unserem Austauschprozess teilnehmen, nachdem sie durch Austausch und Begegnung innerhalb der Organisation eine Position zum Prozessdokument entwickelt haben. Ziel des Klärungs- und Feedbackgesprächs ist es, gemeinsame Lernpotenziale zu erforschen und ausstehende Fragen zu klären. Erkenntnisse werden von unseren Connector-Teams mitgenommen und in den Kreis Bewusstseinsintegration übergeben. Dieser beschäftigt sich mit der fortwährenden Integration von Feedback in das Prozessdokument.

Heute im Gespräch: Peaz

Peaz ist ein soziales Netzwerk für Aktivist*innen und verbindet Menschen mit ähnlichen Werten, Zielen und Interessenfeldern – Aktivist*innen, die sich finden, miteinander austauschen und gegenseitig unterstützen können. Zu dem anstehenden Klärungs- und Feedbackgespräch war unser Connector-Team Katja und Florian mit Bella von Peaz verabredet.

Peaz hat derzeit folgende Position zum Prozessdokument v1.1 (B) entwickelt:

Gemeinsames Lernpotenzial (Anteil abgelehnter Partikel)
0%
Unschärfe (Anteil Partikel mit Klärungsbedarf)
7.6%
Gemeinsames Bewusstsein (Anteil Partikel mit Zustimmung)
92.4%

Mit 92,4% Zustimmung hatte Peaz ausschließlich Klärungsfragen, und insgesamt eine scheinbar große Deckung mit dem, was im Prozessdokument beschrieben ist. Spannend sind für uns natürlich jene Stellen, die sich nicht decken – und welche Potenziale sich darin enthalten. Im Folgenden wollen wir euch an einigen wertvollen Teilen der Gespräche, die durch die Fragen von Peaz entstanden sind, teilhaben lassen.

Aus welcher Motivation heraus handeln Menschen?

Connected Awareness - Austausch mit Peaz

Bella von Peaz trifft unser Connector-Team Katja und Florian

In den Klärungs- und Feedbackgesprächen hören wir oft Fragen zum Thema Bedürfnisse als Antrieb für Handlungen – so auch bei Peaz. Die Frage: Erfülle ich mir eigene Bedürfnisse, wenn ich etwas für jemanden anderen tue, was für mich selbst schädlich, schmerzhaft oder tödlich ist?

Wir haben festgestellt, dass es hilfreich für die Beantwortung solcher Fragen ist, sich über den derzeit im Prozessdokument beschriebenen Unterschied zwischen Bedürfnissen und Handlungen bewusst zu sein. Nach Partikel #I_DEF_NEED sind Bedürfnisse folgendes:

Ein Bedürfnis beschreibt das Verlangen nach einer bestimmten Qualität des Lebens. Ein Bedürfnis grenzt sich ab von konkreten Handlungsstrategien, ist stets lebensbejahend und jedem Menschen vertraut. Ein Bedürfnis kann erfüllt oder nicht erfüllt sein.

Beispiele für Qualitäten des Lebens: Frieden, Licht, Nähe, Nahrung, Raum, Kraft, Gemeinschaft, Handlungsfähigkeit, Abenteuer, Austausch, Lernen, Entwicklung, Sicherheit, usw.

Wenn wir also z.B. Auto fahren erfüllen wir uns z.B. Bedürfnisse wie Leichtigkeit, Freiheit und Autonomie. Nach dieser Definition ist „Auto fahren“ selbst kein Bedürfnis, sondern Strategie.

Erfülle ich mir nun also eigene Bedürfnisse, wenn ich etwas für jemanden anderen tue, was für mich selbst schädlich, schmerzhaft oder tödlich ist?

Soweit wir die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg verstanden haben – die Quelle aus der sich die Partikel unter #I_NEEDS speisen -, ist das so, ja. Partikel #I_NEEDS_PRIORITIES hilft dabei vielleicht weiter

Die Priorisierungen unserer Bedürfnisse kann von Mensch zu Mensch und von Zeitpunkt zu Zeitpunkt unterschiedlich sein.

In dem Moment, in dem ich mich z.B. Beispiel entscheide, in den Hungerstreik zu treten, damit eine Weggefährtin aus der Haft entlassen wird, stelle ich meine Bedürfnisse nach Freiheit (für eine andere Person) über mein Bedürfnis nach Nahrung. Ich erfülle mir also ein Bedürfnis: Ich sorge dafür, die Qualität Freiheit in das Leben eines Menschen zu bringen, der mir wichtig ist – und damit in mein Leben.

Die Frage ist dennoch wichtig und spannend: Gibt es Handlungen, die keine (eigenen) Bedürfnisse erfüllen? Wenn wir auch nur eine einzige solche Handlung finden, sind einige Partikel aus #I_NEEDS obsolet. Bisher haben wir keine gefunden. Der Austausch und damit die Suche nach anderen Perspektiven geht weiter.

Ist wirklich jeder Mensch empathiefähig?

Wie Ökoligenta und auch bei uns intern bei Connected Awareness, hat Peaz Fragen rund um das Partikel #I_LEARN_ABLE4EMPATHY:

Jeder Mensch ist empathiefähig.

Partikel #I_LEARN_ABLE4EMPATHY legt aus unserer Sicht die Grundlage für Aussagen wie „Jeder Mensch bringt Empathie als Grundanlage mit auf die Welt“ oder „Mit Menschen, die wir oft als empathieunfähig verurteilen, stehen wir meist so sehr im Konflikt, dass wir nicht mehr an ihre Empathiefähigkeit glauben – und doch sind sie es.“, doch es gibt noch viel herauszufinden: Gibt es Menschen, denen die Anlage für Empathie tatsächlich fehlt? Und welche Art von Empathie ist dabei wichtig: Kognitive Empathie – also die Fähigkeit, sich rational in anderes Leben reinzudenken – oder die direkte emotionale Empathie? Ein Forschungsfeld welches wir gerne weiter erkunden möchten.

Fülle und Effizienz ohne Ausbeutung?

„Ja“ sagt Peaz zum Partikel #ECO_SYS_PRODDISTRI

Ein Entwicklungsziel der globalen Gesellschaft sollten flexible Produktions- und Verteilungssysteme sein, durch die Materialien und Werkzeuge effizient und zeitnah dorthin gelangen, wo sie gebraucht werden.

Doch klar möchte Peaz unterstreichen, dass bei Produktion und Verteilung beteiligte Menschen nicht wie heute auf Kosten ihrer Gesundheit und der eigenen Träume zugunsten der westlichen Welt bzw. der reicheren Gesellschaftsschichten ausgebeutet werden, sondern auf Augenhöhe mitgestalten können. Das ist auch ganz im Sinne der bisher erarbeiten Grundlage und in Partikel #WE_COOP_INFLUENCE abgedeckt:

Ein Entwicklungsziel der globalen Gesellschaft sollte darin bestehen, Menschen zu ermöglichen, Strukturen und Prozesse, an denen sie beteiligt oder von denen sie betroffen sind, den eigenen Bedürfnissen entsprechend anpassen zu können. Somit kann verhindert werden, dass Menschen mit starren Systemen in Konflikt geraten.

Heute können Menschen selten mitgestalten – sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik. Zumindest müssen sie selbst mit Kraft, Anstrengung und oft auch Mut für ihre Bedürfnisse eintreten, um schließlich dafür zu sorgen, dass Mitgestaltung entsteht. Für einige endet dieser Mut heute im Tod. Streiks, Anschläge, Intrigen und leere, tieftraurige, geschundene Seelen in Büros und Produktionsstätten, die nicht gehört werden: Alles Anzeichen von fehlender Mitgestaltung und Diskriminierung.

Die Partikel unter #WE im Prozessdokument und viele Menschen und Organisationen können dabei unterstützen, #WE_COOP_INFLUENCE zu installieren. Die Lösungen sind da. Eine Welt die für alle funktioniert, kann vor allem hier jetzt und heute angegangen werden.

Wegwerf-Gesellschaft: Ist Übermaß stets schädlich?

Zu #ECO_SYS_PRODREGADVANCE hatte Peaz ebenfalls eine Anmerkung:

Die Produktionssysteme sollten regelmäßig nachgefragte Werkzeuge im Voraus produzieren.

Peaz weist auf die aus ihren Augen sinnlose Überproduktion der Modebranche hin; z.B. wie bei H&M nach einem Bericht von utopia.de (https://utopia.de/hm-kleidung-vernichtet-mode-105588/). Es stellt sich also die Frage, ob Partikel #ECO_SYS_PRODREGADVANCE genauso zu Schaden führen könnte. Die derzeitige Grundlage hält dafür verschiedenste Partikel in #ECO_TECH bereit, u.a. Partikel #ECO_TECH_CRADLE2C

Alle Materialien, die die globale Gesellschaft nutzt, sollten entweder mit natürlichen Ressourcenkreisläufen der Ökosysteme harmonieren oder in ökonomischen Ressourcenkreisläufen verbleiben.

Übermaß ist genau dann unschädlich, wenn die gesamte Wertschöpfungskette ganzheitlich in Einklang mit den Ökosystemen und dem Wohlergehen beteiligter Menschen stehen. Dies ist heute in Großteilen der Wirtschaft nicht gegeben. Übermaß an sich ist nach heutigem Verständnis von Connected Awareness also per se nicht schädlich – doch Produktionsweisen und Konsuminteressen sind es, die entkoppelt von sozial-ökologischen Zusammenhängen Schmerz und Schaden vielerlei Art anrichten.

Wie relevant ist die Begrenztheit von Ressourcen?

Wie bereits für Ökoligenta bestehen auch für Peaz die derzeitigen Herausforderungen der Menschheit nicht in der absoluten Begrenztheit von Ressourcen. Beiden Organisationen fehlt im Prozessdokument ein Zusatz zu folgendem Partikel #ECO_TECH_RESSOURCELIMITS:

Auf unserer Erde sind Material- und Energieressourcen in Menge und Regenerationsrate begrenzt.

Peaz möchte unterstreichen, dass die Ressourcen auf der Erde aus ihrer Sicht heute ausreichen, um alle Menschen bis hin zu individueller Zufriedenheit zu versorgen. Es ist allein eine Frage der Organisation und schließlich der Kultur – sprich unserer Wertevorstellungen – warum wir heute Ressourcenverschwendung, Hunger und Umweltverschmutzung erleben. Peaz sowie Ökoligenta legen uns nahe, vor allem diesen Aspekt deutlich zu machen.

Lösungen, die für alle funktionieren – frei von Sorgen und Bedenken?

Bei den Partikeln zu Bedürfnisorientierter Koordination wurde es für uns besonders spannend: Durch das Gespräch mit Peaz werden wir Partikel #WE_COORD_SYSCONSENSUS neu hinterfragen:

Eine Lösung, die für alle funktioniert, stößt bei keinem der Beteiligten oder Betroffenen auf Widerstände, Bedenken oder Sorgen. (Systemischer Konsens)

Frage: Ist es – auf dem Weg zu einer Welt, die für alle funktioniert – für uns wichtig zu beschreiben, welches Ideal eine Lösung hat, die für alle funktioniert – nämlich, dass sie frei von Bedenken und Sorgen ist? Oder ist es wichtiger, zu beschreiben, wann eine Lösung von allen mitgetragen werden kann? In beiden Fällen sollte es keine Widerstände unter den Betroffenen und Beteiligten geben – doch wir können gemeinsame Wege auch mit Sorgen und Bedenken gehen, wenn wir eben keine besseren gefunden haben. Diese Fragen werden unseren Kreis Bewusstseinsintegration also auch beschäftigen.

Peaz hatte außerdem eine Frage zu Partikel #WE_COORD_WINWAY:

Bedürfnisorientierte Koordination ist für alle Betroffenen und Beteiligten effektiver und nachhaltiger hinsichtlich der Erfüllung ihrer Bedürfnisse als andere Wege der Lösungsfindung.

Peaz beschäftigte die Frage, ob es nicht eher wichtig ist, handlungsfähig zu bleiben, anstatt viele Ressourcen bei der Suche nach Lösungen aufzuwenden, die von allen mitgetragen werden können. Die Antwort unseres Connector-Teams darauf: Handlungsfähigkeit ist ein Bedürfnis genauso wie die Zufriedenheit des einzelnen Menschen. Beides ist uns Menschen wichtig. Können wir das eine nur ohne das andere haben?

Wenn Entscheidungsträger*innen wirklich in die Enge geraten (z.B. durch echte Zeitnot), dann ist es in ihrer Verantwortung, eine Entscheidung zu treffen – auch wenn die Lösung noch keine ist, die von allen getragen werden kann. Doch woran erkennen wir „echte“ Enge? Wie wichtig ist es uns, wirklich Lösungen zu finden, die für alle funktionieren? Welche äußeren Bedingungen bringen uns tagtäglich dazu, zu glauben, dass wir die Ressourcen für den wahrhaftigen Einsatz für Lösungen nicht haben, in denen sich alle wiederfinden können?

Dank Peaz haben wir eine Lücke entdeckt, die das Prozessdokument noch nicht kommuniziert – und zwar: Das Potenzial von Lösungen, die für alle funktionieren, ist viel größer als wir Menschen heute oft glauben. Leider ist es so: Wenn wir uns nicht auf eine echte Suche nach diesen Lösungen begeben, werden wir sie auch nicht finden. Und je weniger wir sie finden, desto weniger glauben wir an sie. Je öfter wir uns wiederum auf diese Suche begeben, desto besser lernen wir WIE wir solche Lösungen gezielt herbeiführen können. Unsere Lösungen-für-alle-finden-Fertigkeit stärkt sich und wir finden bald Lösungen in Zeitspannen, in denen wir heute halbgare, für manche sogar schmerzhafte Lösungen finden – ob in Partnerschaften, auf der Arbeit oder in der Politik.

Wenn es uns wirklich wichtig ist, Lösungen zu finden, die für alle funktionieren, nehmen wir nach Ende einer Notsituation die Suche nach einer Lösung, die für alle funktioniert, wieder auf. Denn Lösungen, die nur für einen Teil von uns funktionieren, sind für einzelne schmerzhaft bzw. schaden uns über die Zeit. Sie sind nicht nachhaltig. Konflikte entstehen – Konflikte, die wir vielleicht nicht einmal in Verbindung mit unseren damaligen Lösungen bringen. Wir sehen diese akuten Konflikte auf den Straßen dieser Welt.

Wenn wir Frieden im Großen schaffen wollen, müssen wir jeden Tag Frieden im Kleinen schaffen – mit unserem Einsatz für Lösungen, die für alle funktionieren. Und auch, wenn es uns heute noch nicht oft gelingen mag: Wir werden mit jedem Tag besser darin werden.

Fazit

Connected Awareness - Austausch mit Peaz

Gemeinsam erforschen Bella von Peaz und Katja einzelne Bewusstseinsaspekte in der Tiefe

Der Austausch mit Peaz hat uns zu neuen Forschungsaufgaben geführt und gleichzeitig konkrete Änderungsvorschläge im Prozessdokument ergeben. Peaz geht nun in die zweite Prozessrunde, um die eigenen Ziele durch die Integration von Wissen aus den Partikeln in eigene Handlungsweisen noch besser zu erreichen.

Bella von Peaz unterstrich den starken Wunsch vieler Connectees, das Prozessdokument noch schlanker, zugänglicher, intuitiver und kraftvoller zu machen, damit Menschen und Organisationen schneller zu klaren Schlüsselerkenntnissen kommen – und vor allem richtig Lust haben, beim Austauschprozess dabei zu sein. Und tatsächlich sind uns durch die Begegnung mit Peaz viele Inspirationen gekommen, das Prozessdokument zu verdichten und zu einem Begleiter bewusster Erkenntnisreisen zu machen, damit überall Türen entstehen für eine Welt, die für alle funktioniert.

Bella von Peaz über Connected Awareness:

„Der Austausch mit Connected Awareness war für uns sehr bereichernd und hat uns wieder einmal vor Augen geführt, wie wichtig es ist, die Vordenker, Entscheidungsträger, Aktivisten und Menschen aller Art in ein Gespräch miteinander zu bringen.“

Wir danken Bella von Peaz und unserem Connector-Team Katja & Florian!


Dieser Artikel wurde von unserem Connector-Team Katja & Florian geschrieben und von unserer Bloggerin Jana ergänzt und verfeinert.

 

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